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Die Kriegsverkäufer: Die Medien im Krieg - am Beispiel der USA

 

Im Krieg werden auch in Demokratien Presse- und Meinungsfreiheit zugunsten der nationalen Sicherheit eingeschränkt. Nach welchem Muster Regierung und Militär in den USA die öffentliche Meinung vom Ersten Weltkrieg bis zum Irakkrieg lenkten und weshalb sich Medien selbst zensieren, analysiert der deutsche Journalist und promovierte Historiker Andreas Elter nach mehrmonatigen Recherchen in US-Archiven in seinem bis heute aktuellen Buch von 2005 (dritte Auflage: 2015). Schon damals prognostizierte Elter, im Zeitalter des Internets werde die Kriegspropaganda eine weitere Entwicklungsstufe nehmen, wie schon oft in ihrer Geschichte.

Die USA bieten sich dem Autor als Untersuchungsbeispiel an, weil sie eine Weltmacht sind und alle ihre Kriege mit dem Kampf für Freiheit und Demokratie rechtfertigen. Zudem seien die USA in der Medien- und Kommunikationstechnik führend, ohne die Massenpropaganda gar nicht denkbar wäre. Propaganda werde in allen politischen Systemen betrieben, auch in Demokratien.

 

Das meinungspolitische «Kreislaufmodell»

 

Der politische Konsens, stellt der Autor fest, hat stets einen Einfluss darauf, wie eine Regierung ihre Propaganda gestaltet (Werbung oder massive Beeinflussung und Zensur). Dieser Konsens wird von den Medien mitgeprägt, die folglich im Krieg nicht mehr ihre angestammte Rolle als Kontrolleure in der demokratischen Gesellschaft einnehmen können. Elter hat für diese Vernetzung folgendes «Kreislaufmodell» aufgestellt:

 

1. Die Medien transportieren in ihrer Berichterstattung mehr oder weniger kritiklos den von der Regierung vorgegebenen politischen Konsens.

2. Die Medien geben den Zuschauern eine Meinungsrichtung vor. Die einen sehen sich bestätigt, die andern passen sich der Meinung der Allgemeinheit an, weil es ihnen an alternativen Informationsquellen oder am Mut zu einer abweichenden Meinung fehlt.

3. Meinungsumfragen erhärten die Zustimmung zum nationalen Konsens und klammern

aus, dass viele der Befragten nur aus gesellschaftlichem Opportunismus zustimmen.

4. Die Regierung fühlt sich durch die Umfrageergebnisse bestätigt und richtet ihr Handeln danach aus.

5. Das Handeln der Regierung wird wiederum von den Medien wahrgenommen und resultiert in entsprechender Berichterstattung. Der Kreis schliesst sich und alles beginnt wieder von vorn.

 

Propaganda im ersten Weltkrieg: Bilder, Karikaturen und Reden

 

Der amerikanische Präsident Wilson hielt sich 1914 -1916 aus dem Krieg heraus, bis er den Sieg seiner guten Wirtschaftspartner England und Frankreich gefährdet sah. Es galt, zunächst die öffentliche Meinung auf den Kriegseintritt der USA einzustimmen. Doch diesewar selbst am 6. April 1917, als die Amerikaner eingriffen, noch zu wenig emotionalisiert. Um einen «gerechten Zorn» zu schüren, wurde die erste Propaganda-Behörde auf Bundesebene geschaffen, das Committee on Public Information (CPI).

 

«Journalisten sind dem Wechsel der politischen Stimmung und dem Zeitgeist unterworfen und damit einem sozialen Zensurdruck.»

 

Das CPI finanzierte Hunderttausende Redner, Schriftsteller, Journalisten, Karikaturisten, Werbeagenten und Regierungsbeamte – praktisch die gesamte intellektuelle Elite der USA -,um ein eindringliches Feindbild zu konstruieren: die Deutschen als mordende und Jungfrauen schändende Hunnen mit Pickelhaube. Von Weltformatplakaten herab bedrohten sie die Amerikaner, 75'000 Redner stürmten in den Pausen die Kinos und verbreiteten in vier Minuten die Mär vom preussischen Gorilla, hinter dem sich eine Blutspur zieht: «Darum müssen wir kämpfen.»

 

«Hätte ich die Wahl zwischen einer Regierung ohne Zeitungen und Zeitungen ohne Regierung, so würde ich nicht zögern, die zweite Möglichkeit zu wählen.»

 Thomas Jefferson, amerikanischer Gründervater

 

 Bis zum Jahresende 1917 hatten 800 Zeitschriften gemäss Erhebung des Autors dem CPI unentgeltlich Werbefläche angeboten. Die Medien hätten damit ihren ursprünglichen Kurs der Neutralität schneller als die Bevölkerung verlassen. Ein Journalist, der negativ über den Krieg berichtete, wurde vom CPI als Vaterlandsverräter entlarvt. Die meisten Medien unterzogen sich einer freiwilligen Zensur. Obwohl die USA zunächst zögernd in den Krieg eingetreten waren, wurde der nationale Konsens durch Regierung, Presse und Militär so nachhaltig geprägt und umgekehrt, dass die Wirkung über das Ziel des CPI sogar weit hinausschoss. Der Autor zitiert dazu den Publizisten Raymond B. Fosdick: «Wir hassten die Deutschen mit einem gemeinsamen, allgemeinen Hass, der unbeschreiblich war.»

 

«Nation at war» – der zweite Weltkrieg: Propaganda mit Film und Radio

 

Mit der flächendeckenden Propaganda im Ersten Weltkrieg hatte die Wilson-Administration die Bedeutung des Begriffs «nationale Sicherheit» erweitert. Deshalb, meint Elter, gab es im Zweiten Weltkrieg weder bei der Bevölkerung noch den Journalisten einen grossen Widerstand gegen die Zensur. Wenn wir im Krieg sind, eine «nation at war», hat dasSicherheitsinteresse Vorrang. Echte Kriegsbegeisterung habe allerdings zuerst wieder die entsprechende Propaganda, diesmal durch das reich dotierte Office of War Information (OWI) auslösen müssen. Die Medien gingen mit der Regierung und dem Militär eine Liaison ein. Die Propagandisten hatten eine neue Vorgehensweise entdeckt: Fotos von gefallenen amerikanischen Soldaten wurden veröffentlicht mit Bildlegenden wie: «Das passiert alle drei Minuten. Soldat bleib bei der Arbeit und erledige sie, damit wir diese Bilder bald nicht mehr sehen müssen.» Die neue Taktik zeigte ein offensives Vorgehen mit den Möglichkeiten der Medien und reflektierte die Überzeugung, dass die Bevölkerung den Krieg befürwortete.

 

«Was wir geschrieben haben, war absoluter Mist. Wir waren der Propagandaarm der Regierung. Zu Beginn gab es sanften Druck von den Zensoren, aber später waren wir unsere eigenen Zensoren Wir waren eine einzige Jubelmenge. Ich befürchte, zu der damaligen Zeit gab es keine Alternative dazu. Alles war Krieg, totaler Krieg in jedem Lebensbereich.»

 Charles Lynch, kanadischer Kriegsberichterstatter an der Seite der US-Truppen in Europa imZweiten Weltkrieg

 

Im Zweiten Weltkrieg kamen mit Radio und Film auch die neuen «Wunderwaffen» der Propaganda zum Zug: Dem Massenmedium Radio, der „Stimme des Krieges“, stellte das OWI Sendematerial zur Verfügung, statt Beiträge zu zensieren. Die Radiosender betrachteten das OWI als neuen, partnerschaftlichen Dienstleister im Kreis der Nachrichtenagenturen. Filmpropaganda überliess die Regierung gar ganz den professionellen Regisseuren Hollywoods. Der Oscar-Preisträger John Ford organisierte 15 Kameracrews, die freiwillig ihr Leben riskierten, um Kampfszenen wie den Angriff der Japaner auf die amerikanische Militärbasis auf den Midway Inseln zu filmen und nach den klassischen Regeln der Kinodramaturgie zu schneiden. «The Battle of Midway» brachte Ford den fünften Oscar ein und das Lob eines tief bewegten Präsidenten Roosevelt, der sagte: «Ich will, dass jede Mutter in Amerika diesen Film sieht.»

 

Der Vietnamkrieg: Propaganda und Realität via Farbfernseher

 

Auch im Vietnam-Krieg habe die amerikanische Propaganda-Maschinerie ein «Bild des Bösen» gezeichnet, schreibt Elter. Da es sich aber nicht um einen globalen Konflikt, sondern nur um einen regionalen in Indochina gehandelt habe, konnten die Präsidenten Kennedy, Johnson und Nixon der Bevölkerung ihr Eingreifen von 1961 bis 1973 nur plausibel machen, indem sie die allgemeine Kommunistenangst als Propagandamittel nutzten. John F. Kennedy konnte sich 1961 aber nicht erlauben, die Medien zu zensieren, weil er Vietnam nie den Krieg erklärt, sondern nach offizieller Lesart nur Berater ins verbündete Vietnam entsandt hatte. Kennedy appellierte an die Selbstregulierung der Presse. Im Verlaufe des langen Krieges machten sich allerdings investigative Journalisten ans Werk und deckten Lügen und Falschinformationen der Regierung auf. Johnson und insbesondere Nixon, der an einer Geheimhaltungsobsession litt und die Medien als Feinde betrachtete, verloren an Glaubwürdigkeit. Durch die zunehmend kritische Medienberichterstattung dehnte sich die Kontroverse um den Vietnamkrieg in der Bevölkerung aus.

 

Der Autor weist darauf hin, dass insbesondere das Fernsehen in diesem Krieg eine wichtige Rolle spielte. Es wurden Aufnahmen gezeigt, die in einer ersten Phase auf die Zuschauer ästhetisch und wie ein Abenteuerspiel an einem exotischen Schauplatz wirken mussten: Landende Truppen, im Wind kreisende Rotorenblätter von Helikoptern oder Amphibienfahrzeuge, die martialisch durch Maisfelder rollten. Es war dies eine farbige Inszenierung militärischer Überlegenheit. Im späteren Verlauf des Krieges waren am Fernsehen dann allerdings Aufnahmen zu sehen, die ein fast realistisches Bild vom Krieg zeigten – Bilder von Kriegsverbrechen, Zerstörungen, Niederlagen, mordenden Verbündeten oder flüchtenden Kleinkindern, die angeblich der Feind sein sollten.

 

«Nixon: „Ich würde sogar die Atombombe tatsächlich einsetzen.“

Kissinger: „Ich glaube, das ginge zu weit.“

Nixon: „Die Atombombe? Hast du etwa Angst davor?“

Kissinger: Unverständliches Gemurmel.

Nixon: „Mensch, Henry, denk doch mal in grossen Dimensionen.“»

Tonband-Aufnahmen aus dem Weissen Haus, freigegeben 2001

 

Weder Presse noch TV trugen, wie der Autor festhält, die Verantwortung dafür, dass der Vietnamkrieg als Niederlage für die Amerikaner in die Geschichte einging, obschon der damalige amerikanische Präsident Ronald Reagan noch in den 1980er Jahren öffentlich von «...unseren mutigen Jungs, die nicht genug Unterstützung aus der Heimat bekommen haben» sprach. Tatsächlich entstanden im Vietnamkrieg erstmals ernsthafte Spannungen im Verhältnis zwischen Medien und Regierung, die laut Elter zu einer neuen, restriktiven Pressepolitik führen sollten, die in Grenada und Panama getestet und in den Golfkriegen mit aller Konsequenz eingesetzt wurde.

 

Die Grenada-Invasion: Pressezensur durch Zugangsverweigerung

 

Die Reagan-Administration störte sich am engen Kontakt des karibischen Inselstaates Granada zu Kuba, fürchtete das Entstehen einer sozialistischen Keimzelle und nahm deshalb einen internen Machtkampf in der Regierung Grenadas zum Vorwand, am 25. Oktober 1983 anzugreifen. Die amerikanische Invasion verlief militärisch erfolgreich. Nach drei Tagen war die Insel besetzt. Völlig neu war die Pressepolitik: Das US-Militär verweigerte den amerikanischen Journalisten schlicht den Zugang zur Insel, was einer noch nie da gewesenen indirekten Zensur gleichkam. Die amerikanische Öffentlichkeit wurde über die Vorgänge in der Karibik zuerst gar nicht informiert oder nur spärlich mit Aussagen der Regierung bedacht. Diese Art der Presselenkung überspringt in Andreas Elters «meinungspolitischem Kreislaufmodell» die Medien als kritiklose Transporteure des von der Regierung vorgegebenen politischen Konsenses. Bei der Grenada-Invasion werden die Journalisten ausgeschaltet, indem die Insel für sie hermetisch abgeriegelt wird. Die Regierung bringt ihre Sicht direkt an die Öffentlichkeit, damit sie unwidersprochen als

Leitmeinung im Fokus der öffentlichen Debatte steht. Dies wiederum – schreibt Elter – hat Auswirkungen auf die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung, die eine Invasion befürwortet, weil keine Medien da sind, um über die Hintergründe zu berichten. Da 1983 in den USA ein Wahljahr ist, schliesst sich die Opposition der Stimmung der Bevölkerung an, um sich nicht dem Vorwurf des Anti-Patriotismus auszusetzen. Aus dieser Kombination von Ignoranz und Opportunismus entsteht ein neuer nationaler Konsens über die Parteigrenzen hinaus – Motto: «Wehe dem, der dagegen argumentiert.»

 

Panama: Zensur via «Pressepool»

 

Nach Grenada wurde eine Poolregelung eingeführt: Analog der Akkreditierung im Weissen Haus wurden im «Pressepool» nur von der Administration handverlesene Journalisten aufgenommen, die im Ernstfall für die Kriegsberichterstattung zugelassen wären. Elter bezeichnet es als überraschenden Umstand, dass die Medien die Poolregelung ohne grossen Widersspruch hinnahmen - wohl vorwiegend aus Angst, durch einen kritischen Ansatz oder durch Ausschluss vom Geschehen Leser, Zuschauer, und Werbekunden zu verlieren.Im Panama-Konflikt, bei dem es erneut um die Sicherstellung der demokratischen Ordnung ging, wurden die Pressepools allerdings nicht rechtzeitig aktiviert und die Medien waren am 20. Dezember 1989 beim Angriff der US- Streitkräfte erneut nicht dabei. Ein Pool von zwölf Reportern aus Washington traf erst fünf Stunden nach Beginn der Kampfhandlungen in Panama ein und musste zwei weitere Tage warten, bis er einen Kriegsschauplatz zu Gesicht bekam. Begründung des Militärs: Keine Transportmittel. Wie sich nach dem Konflikt herausstellte, hatte Präsident George Bushs Verteidigungsminister Dick Cheney (später Vizepräsident von George Bush jun.) bei der Planung der Pressepolitik die Zügel in die Hand genommen und beschlossen, die Aktivierung des Pressepools zu verzögern und die Medien damit faktisch zu zensieren. Und wiederum, stellt der Autor fest, wurde die Bevölkerung unzureichend informiert. Wenn auch Grenada und Panama militärisch gesehen nur Zwischenspiele waren, dann seien sie doch Meilensteine für die Geschichte der amerikanischen Propaganda und Pressepolitik gewesen.

 

Propaganda im Fernsehzeitalter: Die Golfkriege 1991 und 2003

 

In den USA sind fast alle grossen TV-Sender kommerzielle Betriebe. Da bestehe, so Elter, die Gefahr, dass – vor allem in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen – die journalistische Qualität rein ökonomischen Interessen weichen muss. Die Sender versuchen mit möglichst geringem Aufwand einen optimalen «return on investment» einzufahren. Darin würden sie sich nicht von einem Zahnpasta-Produzenten unterscheiden. Problematisch sei aus demokratietheoretischer Perspektive nur, dass Nachrichten und Berichte über einen Krieg eine andere Ware sind als Zahnpasta.

 

«Wir denken doch immer weniger in den Kategorien Verantwortlichkeit und Integrität, sondern immer mehr nach den Massstäben Geld und Macht.»

 Dan Rather, CBC-Moderator

 

Andreas Elter wirft auch einen Blick auf die Propagandasprache, die in den beiden Golfkriegen vom Militär zwecks Verharmlosung von negativen Fakten und einer Glorifizierung positiver Ereignisse gepflegt und von den Medien unkritisch übernommen wurde. Unter eingängige Slogans waren bereits Grenada («urgent fury») und Panama («just cause») gestellt worden, für die Angriffe in den beiden Golfkriegen wurden die Begriffe «Operation Desert Storm» und «Shock and Awe» geprägt. Wie weit der «Warspeak» - in Anlehnung an die Bezeichnung «Doublespeak» aus George Orwells Roman «1984» - ging, zeigt eine Begriffsliste von 1991, die der Autor der dänischen Zeitung «Politikeen» entnommen hat.

 

Im Sprachgebrauch der US-Militärs hatten...

… die Alliierten: Armee, Marine, Luftwaffe – Grundregeln für Journalisten – Pressekonferenzen.

Die alliierten Soldaten waren…

… professionell – vorsichtig – voller Tapferkeit – loyal – mutig

 

Demgegenüber hatten die Iraker eine Kriegsmaschine – Zensur – Propaganda

Die irakischen Soldaten waren…

… einer Hirnwäsche unterzogen – feige – Kanonenfutter – blind gehorchend – fanatisch

 

So «engagierten» sich die Koalitionstruppen 1991 im Golf, statt den Feind «anzugreifen». Statt von «Bomben» war von «schwerem Geschütz» die Rede und wenn die Bomben ihr Ziel verfehlten und Zivilisten trafen, entstand «Kollateralschaden», ruft der Autor in Erinnerung.

 

Berichterstattung im Satellitenzeitalter

 

Die Berichterstattung erfolgt seit dem ersten Golfkrieg 1991 nach den Gesetzen des Leitmediums Fernsehen.  Die Berichte sind

 

. aktuell («breaking news»): Das laufende Programm wird unterbrochen, um Dringlichkeit zu implizieren und die schnelle Reaktion des Senders zu beweisen. Nachrichtenkanäle wie CNN und Fox-News sind hier im Vorteil, weil sie ihre Sendungen unterbrechen können ohne – wie

 die traditionellen Sender – Werbeeinnahmen von Kunden zu verlieren, die ihren Spot zur vereinbarten Zeit sehen wollen. CNN und Fox sahnten in den Golfkriegen kommerziell ab, die andern Sender hatten zwar höhere Einschaltquoten, sanken aber wirtschaftlich in den roten Bereich.

. schnell («instant history»): Die Satellitentechnik macht Nachrichten in «real time» global verfügbar. In den Golfkriegen zeigte sich, dass es den Sendern mehr darum ging, zu zeigen was die Technik hergab, Quoten zu bolzen, persönliche und wirtschaftliche Interessen zu befriedigen, als die Zuschauer zu informieren. Darunter litten Einschätzung, fundiertes Kommentieren und die Überprüfbarkeit der Quellen.

. unanalytisch («routinization of news»): Nachrichtenereignisse werden routinemässig behandelt, die Auswahl, redaktionelle Bearbeitung und die Weiterverbreitung erfolgen nach dem immer gleichen Muster. Als Kriterien dienen Aktualität, Gebrauchswert für den Zuschauer, Nähe zum eigenen Geschehen oder die Person/Institution, die eine Nachricht in Umlauf gebracht hat.

 . mit Agenda-Setting: Die «routinization of news» ist ein Teil des Agenda-Settings, also der Auswahl der Themen über die ein Sender berichtet. Andreas Elter konstruiert zur Illustrierung folgendes Beispiel: Ein Krieg im Sudan, der nicht auf die Agenda der Medien kommt, findet im kollektiven Bewusstsein nicht statt. Kurz, worüber nicht berichtet wird, das existiert nicht. Umgekehrt kann ein marginales Ereignis, wie die Scheidung eines prominenten Schauspielers zum Top-Nachrichtenereignis werden, wenn diese Scheidung von genügend TV-Sendern über mehrere Tage hinweg als Aufmacher präsentiert wird.

. visualisiert («cyber war»): Im Irakkrieg 2003 spielte das Internet bereits eine grosse Rolle und wird – so der Autor – zunehmend zur Ergänzung in Sachen «real time»–Berichterstattung der Fernsehsender beitragen. Zugleich bot das Internet 2003 dem Militär einen weiteren Kanal, um seine Sicht der Dinge zu verbreiten.

 

Aufgrund seiner Recherchen ortete der Autor nach dem Irakkrieg bei den amerikanischen Journalisten ein freiwilliges «mental embedding» und sieht die klassische Journalistenfunktion «sammeln, auswerten und gewichten» aufgrund der elektronischen Medien-Dominanz gefährdet. Im Kriegsfall dürften sich, so sein Fazit, die amerikanischen Journalisten auch künftighin dem Diktat von Regierung und Militär beugen, das lautet: «Was nicht sein darf, kann nicht sein.»

 

Elisabeth Weyermann

 

 

 Andreas Elter

Die Kriegsverkäufer

Geschichte der US-Propaganda 1917 - 2005

edition suhrkamp 2415, 2005, 369 Seiten

(nur noch gebraucht zu bekommen)