Pioniere - Leo Fischer, der Schweizer Kabelfernsehkönig

Der 2009 verstorbene Kabel-TV-Unternehmer Leo Fischer war ein unternehmerisches Urgestein vom Typ des klassischen Patrons. In seinen Memoiren (2008, Huber-Verlag, Frauenfeld) äussert er sich pointiert zu seinem Führungs- und Verhandlungsstil. Hier ein Auszug aus dem von Christian Fehr verfassten Buch.

«Ein Chef, so wie ich ihn verstehe, hat eine Vorbildfunktion: Wer viel fordert, muss mit gutem Beispiel vorangehen. Ich war in meinem eigenen Unternehmen meist der Erste, der zur Arbeit kam, und der Letzte, der nach Hause ging.

 

 

Vorbildfunktion, Wertschätzung und Ehrlichkeit: Das sind für mich die wichtigsten Tugenden eines Vorgesetzten. Die Grundvoraussetzung aber ist, dass ein Vorgesetzter die Menschen gernhat. Unabhängig von persönlichen Sympathiepräferenzen muss er eine Linie einhalten, die für alle gilt, und trotzdem individuell offen auf alle eingehen können.

 

 

Ein Geburtstagskärtchen, ein Geschenk zur Geburt eines Kindes, ein Krankenbesuch im Spital, die Anteilnahme an einem Todesfall, vor den Ferien in einem persönlichen Gespräch die Arbeit loben, damit der Mitarbeiter mit gutem Gefühl in die Erholung fährt, wenn es möglich war, auch ein überraschender finanzieller Ferienzustupf, ein Gespräch, wenn es offensichtlich privat nicht rund läuft – kurz, ein Chef muss in meinem Verständnis seine Mitarbeiter pflegen, ein Umfeld schaffen, in dem sich die Motivation der Mitarbeiter entfalten kann. Denn Motivation lässt sich nicht verordnen.

 

Meine Abteilungsleiter konnten mich nur mit zwei Verhaltensweisen in Rage bringen: mit Unzuverlässigkeit und Rückdelegation. Um ein Beispiel zu nennen: Die Abteilungsleiter waren gehalten, intern Mitarbeiter zu fördern und nachzuziehen. Sofern das Profil den Anforderungen eines Jobs entsprach, hatten sie interne Bewerber externen Kandidaten vorzuziehen. Trotzdem ist es immer wieder vorgekommen, dass mich ein Abteilungsleiter vor seiner Entscheidung fragte, welchen der Bewerber ich vorziehen würde. Sie bekamen immer die gleiche Antwort: ‘Das will ich von Ihnen wissen. Sie treffen die Entscheidung und haben sie auch zu verantworten.’

 

 

Ich war – sogar gerne – bereit, mir die Dossiers der Kandidaten anzuschauen, auch beratend mitzudenken, aber ich legte ebenso Wert darauf, dass die definitive Entscheidung vom Abteilungsleiter getroffen wurde. Es ist danach auch nie vorgekommen, dass ich eine solche Entscheidung kommentiert hätte, auch nicht, wenn ich persönlich anders entschieden hätte.

 

 

 

Anders verhielt ich mich, und das wurde mir gelegentlich angekreidet, wenn ich feststellte, dass eine getroffene Lösung in eine falsche, jedenfalls nicht in die gewünschte Richtung lief. In solchen Fällen fackelte ich nie lange, sondern griff querbeetein durch die ganze Hierarchie ein. Es kann sein, dass mein vielleicht etwas ruppiges Eingreifen vorübergehend für die Betroffenen etwas kränkend wirkte, vorab, wenn sich da und dort gar unter Kader-Kollegen Schadenfreude bemerkbar machte. Jeder wusste aber auch, dass bei mir einer nach einer Fehlleistung durch den Rost fiel. Im Gegenteil, ich stärkte ihnen danach meinst den Rücken, indem ich ihnen ganz bewusst Aufgaben zuwies, bei denen ich mir sicher war, dass sie sie besser als ihre Kollegen erfüllen würden.

 

 

Themenwechsel. Ich bin oft gefragt worden, ob ich ein Erfolgsrezept für Verhandlungen entwickelt hätte. Nun, in der Tat haben sich im Laufe der Jahre in der Praxis ein paar Verhandlungsgrundsätze als Erfolgsfaktoren fast immer bewährt:

  •  Das Wichtigste ist wie bei Sitzungen eine gute Vorbereitung (Problemerfassung, sich vorgängig in den Verhandlungspartner hineindenken, Verhandlungsziel definieren, Argumente auflisten, Verhandlungsort, Verhandlungszeit);
  • Menschen und Probleme getrennt behandeln, am Verhandlungstisch Wohlbefinden und Vertrauen schaffen;
  • Interessen in den Mittelpunkt stellen und nicht um Positionen feilschen, hart in der Sache, aber sanft zu den Menschen;
  • verschiedene Alternativen mit objektiven Entscheidungskriterien vorsehen;
  • gut zuhören, Gedanken antizipieren (vorausdenken), Körpersprache beachten, mit den aufgelisteten Argumenten Regie führen – in aufsteigender Reihenfolge, das stärkste Argument am Schluss.

 

 

In Verhandlungen mit Behörden war auch eine alte Verkäuferregel meist dienlich: den Verhandlungspartner mit Wissen stärken, damit er intern brillieren kann. Dies hat sich beispielsweise schon in meiner Zeit als Antennenbauer bei der Auftragsvergabe für mich oft günstig ausgewirkt. Vorhandlungen mit sogenannten VIPs habe ich auch stets versucht, mich in ihrem Umfeld über Persönlichkeitsmerkmale und Interessen schlauzumachen. Damit konnte ich mich besser auf sie einstellen und bin nicht unverhofft in ein Fettnäpfchen getreten, das die Verhandlungen nachteilig beeinflusst hätte

 

 

Aber, um kein falsches Bild zu erwecken: Was Menschen denken, wie sie ‘ticken’ – das hat mich nicht nur im Umgang mit VIPs stets interessiert. So fand ich es auch immer spannend, mich mit Journalisten ohne besonderen Anlass spontan zu einem Kaffee zu treffen, wenn ich ihnen zufällig begegnet bin. Danach wusste ich bei ihren telefonischen Anfragen meist, ob ich mir ‘off the record’-Bemerkungen erlauben durfte oder eher nicht…

 

Aber, um auf die Verhandlungsvorbereitungen zurückzukommen, Gott sei Dank lässt sich nicht alles vorprogrammieren. In Verhandlungen und bei Sex entwickeln Menschen, wie ich finde, die intensivsten Beziehungen: Erst wenn es knistert, wird’s wirklich spannend.»